Seiten

Mittwoch, 18. Mai 2011

der versuch einer vollständigkeit.

die montagsgeschichte: die muttergeschichte.

ich hab eine mutter. meine eltern haben sich scheiden lassen, als ich 1 war. sorgerecht war bei meinem vater; meine mutter hatte kein besuchsrecht - gutachten vom kinderpsychiater, es wäre schädlich für mich. meine mutter ist bipolar. erzählungen gibt es, dass sie in meinem ersten lebensjahr depressiv war; mich in meiner kotze und kacke liegen hat lassen; mich in der straßenbahn und in fremden häusern einfach vergessen hat. (zur kompletterzählung: ich hatte eine zwillingsschwester, die 16 tage nach der geburt gestorben ist - hab ich selbst erst rausgekriegt, als ich 12 war.)

meine kindheit war von den schlimmen erzählungen meiner eltern (und damit meine ich IMMER meinen vater + seine langjährige partnerin) geprägt; vom davonlaufen/verstecken vor meiner mutter - mal stand sie stundenlang vor unsrer wohnungstür und hat drauf eingehämmert; mal kam sie in der schule vorbei - die lehrer waren eingeweiht und haben versucht, sie von mir fernzuhalten.

als kind checkt man gar nichts. das mutterbild in meinem kopf war das meiner eltern - eine hexe, ich hätte es bei ihr schlecht. (jetzt im nachhinein: vermutlich nicht weit von der wahrheit entfernt.) aber... ich kann mich an viele viele abende erinnern, wo ich im bett lag und geheult hab, weil ich mir eine mutter gewünscht habe. weil ich es doch nicht verstanden habe.

in der pubertät kam nach und nach der zweifel auf, dass die erzählungen meiner eltern nur IHRE sicht sind; dass es nicht die ganze wahrheit sein kann. hab mir daraufhin vorgenommen, meine mutter kennenzulernen.

ich hatte dann - nach matura und auszug - mein katastrophenjahr (kiffen, schulden, räumungsklage) und nach diesem jahr kam quasi als guter schicksalsstreich das angebot, die alte wohnung (miete viel billiger) meiner großmutter mütterlicherseits zu übernehmen. was auch - beim amt - einige zusammentreffen mit meiner mutter notwendig gemacht habe. das war mein versuch. mein erster und einziger und letzter. ich wurde nach diesem gutwilligen kontaktversuch mit anrufen bombardiert und wenn ich nicht 24/7 kontaktierbar war - manische phase meiner mutter, juhu - wurde ich aufs übelste beschimpft und bedroht. ich war eine stunde lang die gute, geliebte tochter und die stunde drauf war ich die tochter, der man tod & elend wünscht. (das ist heute noch so - es besteht zwar kein kontakt von meiner seite aus, aber ihre briefe erreichen mich. einer nett, einer bitterböse. so - dass ich zwischen schuld und zorn hin- und hergerissen bin)

ich habe mir dann selbst gesagt, dass ich mir das nicht antun muss. a) die frau hat viel viel scheiße in ihrem leben gemacht b) ich kenne diese frau im prinzip nicht - auch wenn sie mich mal rausgepresst hat c) ich lass mich nicht jeden tag von fremden menschen fertigmachen, wenn ich nicht muss

seit mittlerweile 5 jahren ist die lage so, dass von mir kein mucks kommt - von ihr kommen in ihren manischen phasen viele briefe - mein vater informiert sie ab und zu über die größten veränderungen in meinem leben (er hasst sie - aber seit einigen jahren, seit es ihm auch nicht mehr gesundheitlich blendend geht, versucht er, ein wenig harmonie in die geschichte zu bekommen. versteht aber vollkommen, dass ich ihr gegenüber abblocke. )

noch dazu muss ich sagen: sie wohnt seit etlichen jahren sicher gute 100 km von hier entfernt, autolos. das hat mich davor bewahrt, sie randalierend vor der tür zu haben - auch wenn ich bei jedem klingeln hier herzklopfen kriege und die möglichkeit eben nicht ausschließe.

und montag:
rufen mich studienkollegen an und schreiben mir eine mail, dass am vormittag meine mutter am uniinstitut gewesen wäre. mittenrein in ein seminar geplatzt, nach mir gefragt, mit sekt und schokolade in händen, manisch eben... verrückt eben... peinlich eben.

schlimmer war, dass ich nur 2 stunden später auch dorthin sollte, um eine prüfung zu schreiben. (eigentlich wollte ich ja auch noch lernen... tzja... ) -

dank der netten hilfe meiner kollegen haben wir es dann so gedeichselt, dass ihr gesagt wurde, ich wäre krank und würde heute sicher nicht mehr auf die uni kommen - sie ist dann irgendwann (da war ich schon vorm institut!) abgedampft und wir sind beim hintereingang rein.

und beim nachhausegehen hab ich noch warten müssen, bis meine kollegin & mitbewohnerin mit ihren terminen fertig war, und wir gemeinsam heim können - damit sie zuerst schauen geht, ob meine mutter eh nicht vor der tür steht.
hab mich am abend auch nicht mehr raus getraut.

es ist aber zu keinem zusammenstoß gekommen. aber die nerven! und dieser urkonflikt in mir drin!


und... zusammenhanglos oder nicht: seit dienstag ist die krasse panik wieder da.


ich bin am dienstag schon mit panik zum sprachkurs gefahren, hab mich dann kurz beruhigt und dann gings zum essen - da ging es volle kanone los: schlimme, schlimme panikattacke, die ich - gegenüber den unwissenden - unterdrücken musste.
danach bin ich irgendwie nach hause gehetzt, es war aber ganz ganz übel. hab auch ewig zum runterkommen gebraucht.

heute wieder... die ganze zeit auf- und abschwellend. essen ist verdammt schwierig. aber auch immer wenn ich unterwegs bin, habe ich das gefühl, meine atmung funktioniert nicht mehr richtig. und dazu all diese gefühle... diese angst, dieses dezentralisieren, diese komische weltsicht.

und mein körper, der irrsinnig angespannt ist seit montag, alles tut weh, alles ist erschöpft und schlafen hilft auch nicht.

bislang hab ich es aber ohne xanor geschafft und bin nirgends davongelaufen. irgendwie geht es ja weiter. die therapiestunde, die diesmal am freitag ist, brauche ich aber sehr.
ich hatte gehofft, schon viel weiter zu sein, aber es fühlt sich noch immer so schlimm an wie die letzten monate. und die hoffnung, dass es ein leben nach der angst gibt... gibt es die?

4 Kommentare:

  1. ganz bestimmt gibt es ein leben ohne angst. aber bei dir sind die wurzeln so tief, wie sie nur sein können... offenbar ist es mehr als richtig, dass das erste lebensjahr für ein kind und dessen späteres leben das prägendste ist.

    weiß dein/e therapeutIn von diesem punkt?

    mit meinem substitut für's wochenende sieht es für einen tag schlecht aus (samstag); ansonsten habe ich morgen so viel wie letzte woche und am sonntag etwas mehr als den sonntag zuvor.
    der samstag muss rumgebracht werden.
    und du hast recht, ich werd da wohl viel vorm pc sitzen zur ablenkung.

    bis bald

    AntwortenLöschen
  2. Die Angst scheint eine Klaue der Vergangeheit zu sein! Und wenn die Dir zu nahe kommt, packt sie dich! Werde die Vergangenheit los und auch die Angst wird gehen!
    Mir kam beim lesen der Gedanke "Hypnose"-Therapie. Damit du endlich "aufräumen" kannst! Es gibt ganz sicher eine Lösung.......und ein Leben ohne Angst.
    Gruss, vom Mann der runenmami

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Sara,

    jezt habe ich mich durch Deine Seiten gelesen und bin hier ganz erschrocken hängen geblieben.

    Wenn man Deinen Blog rückwärts liest, fragt man sich, wieso geht es Sara auf einmal so extrem schlecht. Und Dann dieser Text hier, wo einen nichts mehr wundert.

    Da liest man ein leises Bedürfnis heraus, in einem "normalen" familiären Umfeld leben zu können, wünscht sich eine (seine) richtige Mutter, aber die Umstände lassen es nicht zu.

    Sie leidet und schwankt zwischen ihren Phasen (wobei man in einer Manie ja zu Höchstformen auflaufen kann) und in Dir ist der Wunsch der Normalität und gleichzeitig die Angst, was da noch so auf Dich zukommen könnte.

    Das ist jetzt meine Version und Ansicht, aber ich glaube diese Situation schlummert in Dir. Mal kommt sie mehr an die Oberfläche und mal wirkt sie unterdrückt, ohne dass Du weisst, wo Deine Empfindungen und Beschwerden herkommen.

    Für mich liest es sich so, dass Du aus diesem "Teufelskreis" Deiner Erkrankung heraus kommen kannst, wenn das Thema richtig bearbeitet ist.

    Das sehe ich als Hoffnung und Chance für Dich. Ich bin kein Therapeut und schreibe nur, was ich bei Deinem Bericht denke und fühle.

    Aber mein Bauch sagt mir, Du hast eine Chance auf ein besseres Leben.

    Und ich habe die gleiche Frage wie Sara. Arbeitest Du in Deiner Therapie an diesem Thema?

    Ich nehnm Dich jetzt mal ganz fest virtuell in den Arm und drück Dich ganz lieb.

    Dir ganz, ganz liebe Grüße Ines

    AntwortenLöschen